Prolog Lyrik Prosa Epilog
Der Wanderer über dem Nebelmeer Er ist sich seines erstrebenswerten Weges gewiss. Er ist der geistigen Unruhe entgangen, die sich in unseren Tagen meist in vielen, ungeistigen Formen niederschlägt. Er hat sich ein Refugium geschaffen, das ihm Schutz menschlicher Unzulänglichkeiten gewährt. So war es ihm möglich, sich unter Zuhilfenahme großer Heroen der Weltkultur den Dschungel von Ideologien, Programmen, Dogmen, Heilsprüchen als ihm erscheinende Unruhepunkte zu verlassen, um nach einer Periode des Suchens, die Grundlage einer seinem Geist adäquaten erstrebenden individuellen Weltanschauung zu finden; sind doch individuelle Weltanschauungen heute auf das stärkste bedroht. Darauf baut er - so wie in seinem Schloss - ständig und beharrlich, unbeschadet äußerer Ereignisse weiter, indem er weiß, dass schon der Weg das Ziel ist, um im Verein mit geistigen Größen zu einer befriedigenden Erklärung der Weltzusammenhänge, ausreichende Sinndeutungen und mehr oder weniger große Zielvorstellungen zu gelangen. Viele wissen keine Antwort auf die Frage, wozu sie ihr Leben benötigen, stoßen sie doch bald an die Grenzen der Erkenntnis, beschränken sich auf das sichtbar Materielle, wohl aber wissend, dass eine vermeintliche existentielle Sicherheit in bösen Tagen nicht mehr voll tragfähig ist. So hat er sich nach seinem Vorbild, dem großen König Ludwig II. einen Traum, ein Schloss mit Gloriette, zu eigen zu haben, erfüllt. Doch damit allein wäre er nicht glücklich auf der Stufe des Materiellen stehen zu bleiben auf der Stufenleiter des Lebens, wäre seine Glückseligkeit enden wollend; das hat schon der Märchendichter Andersen erkannt als er schrieb: "Leben ist nicht genug", sagte der Schmetterling. "Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muß man haben." Zum großen Glück gehört auch etwas Unbestimmbares. Es ist die Glückshoffnung nach unnennbaren Ufern, wo das Widerwärtige, Hemmende, wenn nicht ganz aufgehoben, so wenigstens als notwendig erachteter Bestandteil des Glücks gutgeheißen werden kann. Selbst der schönste und beste Fleck auf der Erde kann ein Ort des Unglücks sein - und dies wäre der, hätte sich unser Seelenfreund des Bayernkönigs nicht eine Lebens-und Weltanschauung erstellt, in der sein Schloss lediglich eine Stätte des Wohlstands ist und nicht eine Art Eremitage, die ihm für seine geistigen Ausflüge das notwendige Ambiente liefert.  So wie er im Schloss ein hohes Maß an Harmonie gesetzt hat, versucht er den Erfolg über das Gelingen seiner Vorstellungen zum Bau vor sechs Jahren, in ein lebensanschauliches Glück - erkenntlich am Bewusstsein des Wohlbefindens - weiter zu führen. Zu seinen Mitmenschen findet er wenig geistige Nähe, doch ist er tolerant genug, um sie in ihren Bestrebungen mit anderen Wertvorstellungen in einer entgeistigten Welt existieren zu lassen. Umgekehrt verlangt er von dieser Kategorie von Menschen die notwendige Toleranz für seine Form des Lebens seiner individuellen Weltanschauung. Menschen, die nicht konform gehen mit einer von den Heilsbringern lautstark in Kirchen und Medien verkündigter Weltanschauung und Religion - die diese in den seltensten Fällen auch zu  l e b e n  imstande sind -, werden als Ketzer und Außenseiter einer aufgeklärten Gesellschaft zwar nicht verbrannt, aber als Ewiggestrige abqualifiziert, ja als geisteskrank befundet, wie bei Weiland König Ludwig, der aber nicht irrsinnig war, sondern an einer Sozialphobie litt, die ihn in die Märchenwelt, fernab gesellschaftlichen Müßigtuns, führte. Ein Misanthrop, der die Menschen meidet, und der Spaßgesellschaft fern ist, hat krank zu sein