Prolog Lyrik Prosa Epilog
Für Scardanelli und die Höheren Welten                                  Graz, im Juli 2011   Eine Zeitreise des Scardanelli des 21. Jahrhunderts als Prometheus, Adler, Ikarus und Hyperion. Im Mittelpunkt steht die Verwandlung in Figuren der Heteronomie  Symbolfiguren des zu erfüllenden Seinsglücks und zu voller Identität gelangenden Menschseins. Es  ist die Erhebung eines Menschen mit dem Postulat seiner Rückübersetzung, weg von der Welt von heute, in der die Verfallsinstinkte zur Norm erhoben werden. Sein Denken ist sein Leben. In seinem Denken sucht er die Antwort auf seine Lebens- und Identitätsfrage, die ihm die ihm umgebende Lebenswelt schuldig blieb. So entflieht er dem Sinnlich-Irdischen, um in verschiedenen Gestalten, seine  verwesliche Hülle abzustreifen, um zu höheren Schauen, in höhere Welten zu gelangen: Er weiß, dass es zu einem Erschauen höherer Welten nur dann kommen kann, wenn  wir wieder die seelische Verfassung erreichen, die vor Abertausenden von Jahren jene Menschen einst hatten, unter Beibehaltung des abstrakten Denkvermögens und dem  daraus gewonnenen Ich-Bewusstseins. So wird man der Gnade zuteil, wonach man durch Erschauen der Wahrheit, zu einer über den Sinnenschein liegende  Erkenntnisebene gelangt. So mag die Reise durch Zeit und Raum bis jenseits von Zeit und Raum beginnen:   Prometheus, ein Sprössling des alten Göttergeschlechts, und der Zeus entthront hatte, arbeitete nach seinen Vorstellungen am Menschengeschlecht und entfachte so Zorn und Rache des Göttervaters. Er wurde über einen schauderhaften Abgrund, an eine  Felswand des Berges Kaukasus mit unauflöslichen Ketten geschmiedet. Ungern vollzog Hephaistos den Auftrag seines Vaters, denn er liebte den Titanensohn. Herakles erbarmte sich seiner, denn er war tief betroffen, als er sah, wie ein Adler, auf den Knien des Prometheus sitzend, am Herz des Unglückseligen fraß, und er verjagte mit Keule, Pfeil und Bogen den Adler. Der Adler stieg auf, immer höher und höher, er sah unter sich die Berge des Kaukasus und den Wanderer hoch über dem Nebelmeer stehend. Doch da in ihm Teile des Herzens des unglücklichen Prometheus waren, musste er  nach Einbruch der Dunkelheit zum Felsen zurück, an dem der Verdammte  angeschmiedet war, und sein Leben verbringen musste. Der Adler wollte dessen  unerträglichem Leben ein Ende setzen, und das ganze Herz auffressen. Doch der Fluch des Göttervaters gestattete dem Adler nur soviel vom Herzen zu nehmen, dass dieses weiter schlagen konnte. Nächtelang verdammt, verfemt zu einem Leben, das kein Leben war. Ein Zerrissener  halb Prometheus, halb Adler.  Nur tagsüber war er dem Schicksal des Angekettetseins entkommen, da war er mit  Teilen seines Herzens ein Adler, hoch in den Lüften, um nach Ablauf der Zeit die  qualvollen Nächte, der Erdenschwere ausgeliefert, unmenschliche Qualen zu erdulden. Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit und Unendlichkeit zerschellte am Felsen. Einmal Adler, mit gewaltigen Schwingen der Sonne zustrebend, gemeinsam mit seinen Adlerbrüdern den irdischen Qualen entzogen. Ein König der Lüfte, frei und ungebunden  doch dann wieder ein Prometheus, geschmiedet am Felsen im Reich des Pöbels und der Überflüssigen, schlaf- und glücklos in dunkler Nacht, bis er für einen Tag lang  erlöst wurde, um abends wieder in das Schattenreich zurückkehren zu müssen.   Dädalus war des Lebens, das er führen musste überdrüssig, er wollte nicht sein ganzes Leben auf einer vom Meer umschlossenen Insel verbringen. Sein erfinderischer Geist kam ihm zu Hilfe: Mag mich Minos von Land und Wasser aussperren, die Luft bleibt mir doch offen. Durch die Luft will ich fortgehen.  Er passte sich und seinem Sohn Ikarus Flügel aus Wachs an. Den Sohn warnte er, der Sonne nicht zu nahe zu kommen, da die Sonnenstrahlen das Wachs schmelzen  würden. Doch Ikarus hatte bald die Warnungen vergessen. Er flog höher und höher der Sonne entgegen. Er vergaß, dass er ein Mensch ist und glaubte, ein Adler zu sein. Die Nähe der Sonne erreichte mit kräftigen Strahlen das Wachs, das die Fittiche zusammenhielt, und ehe es Ikarus nur bemerkte, waren die Flügel aufgelöst und zu beiden Seiten den Schultern entsunken. Noch ruderte der Unglückliche und schwang seine Arme; aber er bekam keine Luft zu fassen und plötzlich stürzte er in die Tiefe. Der Vater fand die Leiche am Ufer, wohin ihn die Meereswellen gespült hatten. Er begrub ihn auf der Insel und gab ihr den Namen Ikaria. Wollen wir nicht auch allzu gerne der irdischen Schwere entrinnen und der Sonne  entgegen fliegen, den Schmutz dieser Welt hinter uns lassend? Im Taumel der Sinne und eines unermesslichen Glücksgefühl, jede Vorsicht außer Acht lassend, um zu  verbrennen im Feuerofen der Sonne? War man einmal in diesen Sphären, kann man  allzu leicht abstürzen und den seelischen Tod erleiden, um als gebranntes Kind als  lebende Leichen dahin zu vegetieren, in einem Leben, das kein Leben mehr ist. Hat der Gott der Bibel es nicht den ersten Menschen verboten vom Baum der  Erkenntnis zu essen, ansonsten sie sterben müssten?   In dem dem Schluss von Hölderlins ‚Hyperion nachgestalteten Kapitel ‚Mittags’ aus dem Schlussteil des ‚Zarathustra’  scheint die Zeit still zu stehen und der Himmel  scheint sich dem von solcher Weltgunst Beglückten zuzuneigen. Hyperion, Licht-und Sonnengott aus dem Göttergeschlecht der Tantaliden.   O Himmel über mir, sprach er seufzend und setzte sich aufrecht. Du schaust mir zu? Du horchst meiner wunderlichen Seele zu? Wann trinkst du diesen Tropfen Tau’s, der auf alle Erden-Dinge niederfiel  wann  trinkst du diese wunderliche Seele, wann Brunnen der Ewigkeit! Du herrlicher schauerlicher Mittagsabgrund! Wann trinkst du meine Seele in dich  zurück?  Ist das nicht der Augenblick des vollkommenen Seinsglücks, eine herbeigeführte, wenn auch  flüchtige Annäherung und eines Versuches wert?  Scardanelli wurde zum Adler und flog plötzlich zwischen Felsen und hatte den Blick  nach unten,  mehr als bloß eine Metapher für die Menschen, die sich auf den Weg  machen wollen, um zur Erkenntnis höherer Welten zu gelangen, wobei die Begegnung mit fiktiven Gestalten der Weltgeschichte oft Bildhaftes nötig hat, um sich festhalten zu können, und nicht abzustürzen. . Wer den Weg, der aus der Sinnenwelt herausführt, suchen will, wird bald erkennen,  dass menschliches Leben nur Wert und Bedeutung durch den Einblick in eine andere  Welt gewinnt Ein Homer mit seinem Prometheus und Ikarus oder ein Hölderlin mit seinem Hyperion sind nur einige Beispiele wie wir zu einem Erschauen höherer Welten kommen können, wenn wir wieder die seelische Verfassung erreichen, die jene Menschen damals hatten, jedoch unter Einbeziehung unseres abstrakten Denkvermögens und dem daraus  gewonnenen Ich-Bewußtseins. Dennoch wird der Mensch immer ein Gespaltener sein, hängt er doch immer mit einem Rest seines Ich-Seins am Sinnlich-Irdischen, und wird letztlich das höhere Schauen aus der Perspektive des Adlers nie ganz schaffen, aber er ist zumindest auf dem  richtigen Weg. Das Bewusstsein dieses Geist-_Ichs trägt ihn über viele Wirrnisse hinweg und  bereichert seine Fähigkeiten und seinen Lebensgehalt, die sich dann finden lassen in  den wunderbaren Ausdrucksformen der Sprache, gereinigt und befreit von der Schlacke herzloser Worttiraden. Die Beschäftigung mit den Werken großer Dichter und Denker gibt dem Ich immer neue Impulse und seelische Kraft, um sich über das Alltäglich-Irdische zu erheben und in den Besitz von Erkenntnissen und höherer Werte zu gelangen.   Es kann jeder ein Scardanelli werden, wenn er es mit voller Kraft seines Herzens und seines Geistes will, um zumindest in die Nähe höherer Welten zu kommen.